Eine erfolgreiche Informations- und Austauschveranstaltung zur Rückkehr des Wolfes in die Eifelregion, die am 8. Oktober 2024 bei der Landwirtschaftskammer in Düren stattfand, brachte zahlreiche Interessierte und Fachleute zusammen, um die Herausforderungen der zunehmenden Wolfspopulation zu diskutieren.

Eingeladen hatten die Kreisbauernschaften der Kreise Euskirchen und Düren sowie der Städteregion Aachen gemeinsam mit den drei Kreisjägerschaften. Zu den Teil­nehmern zählten nicht nur Nutztierhalter, Jäger und Naturschützer, Vertreter aus Ver­bänden, Forst und Tourismus, sondern auch zahlreiche Gäste aus Verwaltungen und Politik, darunter die Vertreter der örtlichen Kommunen, aus den Fraktionen aller drei Kreise sowie Abgeordnete des NRW-Landestages, die wertvolle Erkenntnisse für ihre politische Arbeit mitnehmen konnten.

Das zentrale Thema der Veranstaltung war der kontinuierliche Anstieg von Wolfs­rissen bei Nutztieren in der Region, der nicht nur wirtschaftliche, sondern auch emotio­nale Herausforderungen für die betroffenen Nutztierhalter mit sich bringt.
In Impulsvorträgen boten die Referenten Einblick in ihre Arbeit, Erfahrungswelt und Forderungen:

Dr. Josef Tumbrinck (Abteilungsleiter Naturschutz im Ministerium für Umwelt, Natur­schutz und Verkehr NRW) schilderte, dass die bevorstehende Herabstufung des Wolfes im Schutzstatus auf EU-Ebene nach Umsetzung in nationales Recht neue Möglichkeiten z.B. hinsichtlich Vergrämung bietet. Dies werde allerdings noch lange dauern und an der generellen Thematik wenig ändern. Er erläuterte, dass die Lan­desregierung aktuell daran arbeitet, das gesamte Bundesland NRW als potenzielles Verbreitungsgebiet des Wolfs einstufen, so dass Fördermaßnahmen landesweit mög­lich sind. Auch andere Aspekte der Finanzierung von Maßnahmen (insbesondere Zäune und Herdenschutzhunde) werden überarbeitet, um hier praxisgerechter zu werden. Weiter ist der Prozess zur Genuntersuchung optimiert worden, so kann das Ergebnis, ob Wolf – ja/nein – deutlich schneller bekanntgegeben werden, zunächst an den betroffenen Tierhalter, dann auf der Internetseite des Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV). Die Identitätsprüfung des einzelnen Individuums benötigt allerdings mehr Zeit. Er stellte fest, dass geeignete Herden­schutzmaßnahmen der am meisten wirksame Schutz sind und daher hier ein Schwerpunkt der Arbeit liegen muss. Von einer Überführung des Wolfs in das Jagd­recht riet er ab. Das Töten von Wölfen könne nur eine Einzelfalllösung bei Problem­wölfen sein.

Steffen Pingen (Leiter Umwelt und Nachhaltigkeit beim Deutschen Bauernverband e.V.) stellte die Perspektive der Landwirte dar. Die derzeitige Wolfspolitik sei geschei­tert. Von der Politik werde viel zu viel im klein-klein an Einzelthemen gearbeitet, statt den Realitäten ins Auge zusehen und eine klare Linie zu verfolgen. Mehrere Verbän­de haben sich daher im Aktionsbündnis Forum Natur zusammengeschlossen und einen konkreten Handlungsleitfaden entwickelt. Der Herdenschutz allein ist demnach keine Lösung, nur ein aktives Bestandsmanagement sichert die Zukunft der Weide­tierhalter. Der Bauernverband fordert eine Anpassung der FFH-Richtlinie, um danach in ein aktives Bestandsmanagement des Wolfes einzusteigen – was auch im Koaliti­onsvertrag der Bundesregierung festgelegt, aber offensichtlich jetzt in den Hinter­grund getreten ist. Der Schnellabschuss von Problemwölfen muss unbürokratischer als bisher umsetzbar sein. Auch die regionale wie überregionale Klassifikation von Gebieten zum Wolfsschutz, zum Wolfsmanagement und zum Wolfsausschluss, mit dann jeweils spezifischen Handlungsparametern, ist eine der Forderungen. 

Hermann Carl (vom LANUV beauftragter Wolfsberater im Bereich Eifel) bot praxis­nahe Einblicke in seine Arbeit vor Ort. Als Luchsberater wurde er vom Landesamt vor einigen Jahren automatisch zum Berater in Wolfsangelegenheiten ernannt, ist auch dort jetzt sehr engagiert tätig. Zu seinen Arbeiten gehören Dokumentation, Spuren­sicherung und Probennahme an Tierrissen. Auch berät er die Weidetierhalter zu den einzelnen Schutzmaßnahmen und dem entsprechenden Förderungsabruf.
Er schilderte eindrucksvoll teils aufwühlende Fälle von Wolfsangriffen auf Nutztiere. Anhand von Bildern zeigte er Merkmale von Rissen durch Wölfe, auch im Unter­schied zu Luchsrissen und Fraßspuren von Krähenvögeln. Besonders unbefriedi­gend ist, dass gerade in den Grenzregionen mit den Nachbarländern (Belgien, Nie­derlande) kein Informationsaustausch zu Wolfsrissen und -wanderungen erfolgt. Er berichtete auch über die bestürzende Situation, zu einem Geschehen gerufen zu werden und dort nicht nur tote, sondern auch schwer verletzte, noch lebende Tiere vorzufinden. Die Ohnmacht, diese Tiere nicht erlösen zu dürfen und das Leid der Halter zu sehen, die ihre Tiere im Todeskampf begleiten, sei unerträglich. Hier muss­te aufgrund der Gesetzeslage bisher – bedingt durch das hohe Arbeitsaufkommen in den Veterinärpraxen häufig stundenlang – auf einen Tierarzt gewartet werden, der die Tiere begutachten und dann erst erlösen konnte. Von den zuständigen Behörden konnte er zwischenzeitlich eine Sondergenehmigung erhalten, die es ihm als Jäger und ehemaligen Polizist ermöglicht, auch Nottötungen solcher Nutztiere vorzuneh­men. Er fügte den Appell an, diese Sondergenehmigung auch für weitere kundige Wolfsberater auszugeben.

Simon Darscheid (stellvertretender Vorsitzender im Schafzuchtverband Nordrhein-Westfalen e.V.) schloss sich den Schilderungen seines Vorredners an. Der wirtschaft­liche, wie auch der emotionale Druck steige mit jedem Wolfsangriff und (zu) viele Schafhalter, die er kenne, würden nach mehrfachen Übergriffen ihre Weidehaltung einstellen, da auch eingeleitete Maßnahmen wie Zäune und Hunde letztlich nur be­grenzten Erfolg haben. Er verwies auf die Situation in Rheinland-Pfalz. Hier gibt es vier hauptamtliche Wolfs­berater, die neben ihren Aufgaben der Beratung und Spurensicherung Betroffenen nach einem Angriff kurzfristig auch mit konkreten Maßnahmen unterstützen, wie dem Aufstellen eines weiteren Schutzzauns. Die Verfahrensweise in NRW hingegen be­einträchtige derzeit stark das Vertrauen in die Behörden, zum Beispiel aufgrund der langen Laufzeit der Genuntersuchungen und Bekanntgabe der Ergebnisse. Auch der Umgang mit der Lernfähigkeit der Wölfe sei unbefriedigend. So helfen auch höhere oder bessere Schutzzäune immer nur begrenzt, da die Wölfe erfahrungsgemäß Me­thoden entwickeln, diese zu überwinden und dieses Wissen an ihre Nachkommen weitergeben. Er appellierte an das Ministerium, die Ergebnisse zu Genuntersuchung deutlich schneller zu kommunizieren, um Vertrauen zu schaffen.

Im Anschluss an die Vorträge moderierte Detlef Steinert (Chefredakteur der  Land­wirtschaftlichen Zeitung Rheinland – LZ) die Diskussion der anwesenden Gäste mit den Referenten. Eingangs betonte er, dass dies seines Wissens erstmals in NRW ist, dass zu diesem Thema qualifizierte Vertreter aller beteiligten Seiten in einer gemein­samen Veranstaltung miteinander und mit dem relevanten Umfeld reden.
Betroffene Nutztierhalter schilderten praktische Probleme, aber auch ihre Zukunfts­ängste. Beispielsweise schilderte ein Rinderhalter seine Situation von Weiden im Na­turschutzgebiet, deren Wolfsschutz-Umzäunung er auf Weisung der Behörde wieder zurückbauen musste. Hier beißt sich sprichwörtlich Herdenschutz mit Naturschutz. Ein anderer  Anwesender sprach an, dass sich die Anzahl der  Wolfsrisse in der Kommune seines Betriebes von vergangenes auf dieses Jahr vervierzehntfacht hat, und äußerte seine Besorgnis, dass er seinen Kindern künftig nicht mehr erlauben könne, sich frei in der Natur zu bewegen.

Ebenso kam anhand des praktischen Beispiels einer nach Wolfsattacke ausgebrochenen Rinderherde die Frage auf, wer eigentlich zahlt, wenn diese auf die benachbarte Autobahn läuft und dort einen großen Schaden verursacht. Praktische Versicherungsfragen sind also auch zu beachten, erst recht wenn die Häufigkeit steigt. Die Betriebshaftpflicht macht das vielleicht nur einmal klaglos mit. Ein Kommunalvertreter der Grünen aus Aachen konstatierte, das in absehbarer Zeit ein regulierendes Bestandsmanagement als Teil des Herdenschutzes wohl nicht ausgeklammert werden dürfe. Eine Diskussionsteilnehmerin führte die große emotionale Belastung für den betroffenen Tierhalter an; sie selbst sei stellvertretend für jemanden anwesend, den dies zu sehr mitgenommen habe. Zudem werde Schadenersatz nur gezahlt, wenn die kausale Verursachung durch einen Wolf zweifelsfrei bewiesen ist, was hier bei mehreren Tieren nicht nachweisbar war, so dass der materielle Schaden komplett zu Lasten des Betriebes ging.

Die Referenten gingen auf die einzelnen Diskussionsbeiträge qualifiziert und sachlich ein. Herr Dr. Tumbrinck betonte, alle Entwicklungen persönlich aufmerksam zu beo­bachten und Handlungsbedarfe zu verfolgen, nehme auch die Bedenken und Sorgen der Tierhalter wie der Bevölkerung sehr ernst, warnte gleichzeitig aber auch vor un­sachlicher Panikmache, die sei völlig unangebracht. Aus seiner noch relativ kurzen Amtszeit habe er den Eindruck, dass sowohl sein Ministerium, als auch das sachlich benachbarte Landwirtschaftsministerium nicht immer alle Spielräume und Hand­lungsoptionen genutzt hat, die es heute schon gibt. Den Einzelfällen dazu will er demnächst verstärkt nachgehen. 

Nachdem die Gegenwart zur Situation Wolf in der Eifel besprochen war, bat Herr Steinert die Referenten noch um ein Statement für die Zukunft.
Simon Darscheid schloss mit einem Appell, die Situation für die Nutztierhalter lang­fristig zu verbessern und sachlich wie finanziell kalkulierbar zu machen, damit nicht noch mehr Kollegen aufgeben und ihre Betriebe schließen müssen.
Hermann Carl wünschte sich, dass das Nutztierleid verringert werden kann, indem auch andere Wolfsberater Sondergenehmigungen zu Nottötungen erhalten können.
Steffen Pingen stellte klar, dass die Forderungen des Deutschen Bauernverbands endlich Beachtung der Politik finden müssen, damit Weidetierhaltung in Deutschland eine Zukunft hat.
Dr. Josef Tumbrinck bekräftigte, sowohl die generell gewonnen Erkenntnisse des Abends, als auch individuelle Problemstellungen in seiner Abteilung zu bearbeiten, die Kommunikation zu verbessern und sich für weitere Schutzsysteme und die Ent­wicklung möglicher neuer Maßnahmen stark zu machen.
Die Veranstalter zogen eine positive Bilanz der Veranstaltung und betonten, wie wichtig solche Plattformen für den Austausch von Wissen und Erfahrungen sind. Die gewonnenen Erkenntnisse werden hoffentlich in zukünftige politische Entscheidun­gen einfließen, um sowohl den Schutz des Wolfes als auch die Interessen der Nutz­tierhalter und der ländlichen Bevölkerung zu sichern.

Verfasser und Bilder: KJS Euskirchen, KJS Aachen, KJS Düren